Raumluftqualität und Holzfeuchte

Innenräume in Holzbauten vertikal begrünen

Text: Nadine Dalhoff, Prof. Dr. Nina Kloster und Dr. Jan Wenker | Foto (Header): © Brüninghoff

Pflanzen finden zunehmend auch als vertikale Innenraumbegrünung im Büro- und Verwaltungsbau ihren Platz – auch in Objekten, die als Holz- oder Holz-Hybridbau realisiert wurden. Eine aktuelle Masterarbeit der TH Köln widmet sich den Einflüssen großflächiger vertikaler Innenraumbegrünung auf die Raumluftqualität in einem Holzbau sowie auf die Holzfeuchte angrenzender Bauteile. Die Tests fanden in Räumen des Projektbauspezialisten Brüninghoff statt.

Auszug aus:

GEG Baupraxis
Fachmagazin für energieeffiziente und ressourcenschonende Neu- und Bestandsbauten
Ausgabe Juli / August 2022
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Ausgelöst durch die zunehmende Verstädterung der Gesellschaft findet allmählich eine Rückbesinnung auf ein naturverbundeneres Leben statt. Ob im Einkaufszentrum oder dem Großraumbüro: Großflächige vertikale Pflanzsysteme – sogenannte Grünwände – kommen verstärkt zum Einsatz und sorgen für ein angenehmeres Raumklima. So lässt sich Naturverbundenheit in Einklang bringen mit der Tatsache, dass Menschen den überwiegenden Teil ihrer Lebenszeit in geschlossenen Räumen verbringen. Im Gegensatz zu künstlich konservierten Mooswänden handelt es sich bei vertikaler Innenraumbegrünung um eine intakte, lebendige Struktur. Sie macht sich die positiven Effekte des natürlichen Wachstumsprozesses der Pflanzen zunutze.

Die Grünwand besteht aus abwechslungsreichen Mischkulturen tropischer und subtropischer Blattpflanzen. Die Lichtverhältnisse im Raum entscheiden, ob genügend natürliches Licht auf die Grünwand fällt oder ob zusätzlich künstliche Beleuchtung nötig ist. Die optimale Pflege der Pflanzen gestaltet sich besonders leicht, wenn ihre Bedürfnisse von Beginn an in die Raumplanung einbezogen werden. Obwohl es sich bei vertikaler Innenraumbegrünung (noch) um ein Nischenthema handelt, haben in den letzten Jahren verschiedene Hersteller Wandbegrünungs-Systeme in diversen Ausführungen entwickelt. Einige setzen auf die Wandmontage von Trägerkassetten, die mit Pflanzkästen und Kulturtöpfen bestückt sind. Demgegenüber stehen Ansätze, die die Pflanzen direkt in Taschen eines mehrlagigen Vliessystems einsetzen, das zudem zur gleichmäßigen Bewässerung dient. Für die Aufnahme der Grünwandkonstruktionen stehen spezielle Tragstrukturen aus Aluminiumprofilen zur Wahl, die an die jeweilige Wandbeschaffenheit angepasst sind. Ein vliesbasierter Ansatz kommt auch bei dem im Rahmen der hier beschriebenen Forschungsarbeit eingesetzten Systems der Vertiko GmbH zum Tragen. Dieses Living-Wall-System bildet eine innenraumseitige, vorgehängte, hinterlüftete Fassade, ohne direkten Kontakt der Pflanzen zur tragenden Wand. Die Metallkonstruktion ist korrosionsbeständig und ermöglicht eine optimale Luftzirkulation. Um weniger Raumtiefe einzunehmen, werden die Pflanzen statt in einzelnen Kulturtöpfen in flachen Taschen direkt in der Trägerschicht aus Vlies angeordnet. Als Nährboden für die überwiegend tropischen Gewächse können sowohl Erd- und Hydrokulturen, als auch speziell angemischte, sporenfreie Substrate dienen. Die Bewässerung kann händisch oder mithilfe eines vollautomatischen Gießsystems erfolgen. Bei Letzterem ist die gesamte Fläche der Grünwand durch ein Schlauchsystem vernetzt. Überschüssige Flüssigkeit wird entweder in ein darunter stehendes Wasserbecken zurückgeführt (geschlossenes System) oder über eine Abwasserleitung abgeleitet (offenes System).

 

Raumklima und Luftqualität

Wie bereits eine 1989 veröffentlichte Studie der amerikanischen Raumfahrtorganisation NASA belegte, verschönern bestimmte Grünpflanzen – wie z. B. Einblatt, Efeutute oder Grünlilie – einen Raum nicht nur optisch, sondern wirken sich auch auf dessen physikalische Eigenschaften aus. Sie binden in geringen Maßen Kohlenstoffdioxid sowie Staub und beeinflussen je nach Blattfeuchte und Verdunstung die Luftfeuchtigkeit. Eine Grünwand ist somit längst nicht mehr nur ein optisches Gestaltungsmittel. Vielmehr verspricht sie eine dauerhafte Verbesserung des Raumklimas und der -luftqualität. Eine hohe Anzahl an Pflanzen kann bei entsprechenden klimatischen Bedingungen aber auch einen konstanten Anstieg der Luftfeuchtigkeit über ein gewünschtes Maß hinaus mit sich bringen. Diesbezüglich spielt nicht nur im Holzbau die technische Ausstattung eines Gebäudes eine immer wichtigere Rolle. Eine Klimaanlage oder eine mechanische Lüftungsanlage beziehungsweise eine automatisch gesteuerte natürliche Lüftung können helfen, eine Überfeuchtung zu vermeiden.

Um mögliche Effekte der Grünwand auf  die Raumluftqualität und die Feuchte angrenzender Bauteile aus Holz genauer zu betrachten, wurde am Standort des auf Projektbau spezialisierten Unternehmens Brüninghoff in Heiden eine vertikale Innenraumbegrünung in einem Holzgebäude eingesetzt und mit entsprechender Monitoring-Technik ausgestattet. Im Rahmen des Forschungsprojekts kamen u. a. acht, in einer senkrechten Achse zur Pflanzenwand montierte kombinierte Temperatur-Feuchte-Datenlogger 174H von Testo zum Einsatz.

Die Holzfeuchtemesstechnik stammt von Scanntronik Mugrauer. Die Messungen fanden in den Sommermonaten zwischen Anfang März und Anfang August 2021 statt. In diesem Zeitraum ist weniger der Ausgleich trockener Heizungsluft, als vielmehr
eine Überfeuchtung des Raums durch die Grünwand zu erwarten – vor allem bei wärmeren Außentemperaturen und bereits hoher Luftfeuchtigkeit im Außenbereich.

 

Grün für das Forscherhaus

Die circa 9 m² große Vertikalbegrünung wurde in einem 110 m² großen Besprechungsraum montiert. Die Konstruktion stammt von Vertiko, die Installation und Bepflanzung vor Ort erfolgte durch Boymann Gartenlandschaftsbau. Die Grünwand befindet sich im „Forscherhaus“ von Brüninghoff. Es bietet nicht nur Räume für Veranstaltungen, Seminare und Schulungen – auch das Programm für Kinder der Mitarbeiter in den Sommerferien findet hier statt. Diese sogenannten „Forscherferien“ gaben dem Gebäude seinen Namen – neben der Entstehungsgeschichte des Gebäudes als eins-zu-eins-Recycling von für ein anderes Objekt hergestellten Wand- und Deckenbauteilen. Das Gebäude basiert auf einem etwa 40 m² großen zweigeschossigen Mockup, das ursprünglich für Schallschutztests in der Konzeptphase eines 18-geschossigen Holz-Hochhauses erstellt worden ist. Die um eine großzügige Erdgeschossfläche erweiterte Konstruktion des Forscherhauses aus Holzrahmenbau (Wände) und Holzmassivbau (Decken) präsentiert somit einen ressourcenschonenden Ansatz: Nicht nur das Mockup wurde wiederverwendet und in den neuen Baukörper integriert, sondern auch die Baumaterialien im Rohzustand belassen. So ist die Oberfläche des Holzes unbehandelt, Decken sind unverputzt, Elektroleitungen auf Putz verlegt. Zumal es sich um ein Holzgebäude mit sichtbarer Brettsperrholzdecke handelt, ist die mögliche Beeinflussung der Holzfeuchte in der Decke über der Pflanzenwand von besonderem Interesse.

Im Gegensatz zu anorganischen Baustoffen speichert Holz innerhalb seiner Nutzungsphase Kohlenstoff. Dieser Speicher entsteht während des Wachstums der Bäume durch die Umwandlung von CO2 aus der Luft und Einbindung des Kohlenstoffs in die Gerüstsubstanzen des Holzes. Holz leistet so im Gegensatz zu mineralischen Baustoffen einen positiven Beitrag zum Klimaschutz. Eine weitere holzspezifische Eigenschaft ist die Fähigkeit, Wasser aus der Luft aufzunehmen und wieder an diese abzugeben: Holz ist ein hygroskopisches Material. Da Feuchtigkeit zeitverzögert aufgenommen wird, beeinflussen kurzfristige Schwankungen die mittlere Holzfeuchte über den gesamten Bauteilquerschnitt kaum. Bei einer Einbaufeuchte des Holzes von circa zwölf Prozent stellt sich die Ausgleichsfeuchte im Gebrauchszustand, z. B. eines Brettschichtholzbinders, nach etwa einem Jahr ein. Wird dieser Prozess durch äußere Faktoren wie Heizen beschleunigt, kann es zu Rissen und Knackgeräuschen kommen.

 

Einflüsse auf die Holzfeuchte

Im März 2021 führte das Projektteam im Vorfeld der Grünwandinstallation zunächst Referenzmessungen in der Brettsperrholzdecke des Forscherhauses durch. Nach dem Einbau der vertikalen Innenraumbegrünung wurde schließlich die sich an der Oberfläche der sichtbaren Brettsperrholzdecke einstellende Holzfeuchte sowie die durchschnittliche relative Luftfeuchtigkeit ermittelt. Es ergab sich ein durchschnittlicher Anstieg der relativen Luftfeuchtigkeit um 26,7 Prozentpunkte. Sowohl die relative als auch die absolute Luftfeuchtigkeit überschreiten – ohne Lüftungskonzept – die normativen Grenzwerte nach DIN EN 15251. Diese Überschreitung ist bei großen begrünten Flächen im Verhältnis zur Grundfläche des Raums unabhängig von der Bauweise des Gebäudes  zu erwarten. Eine sinnvolle Dimensionierung der Grünwand sowie die Berücksichtigung der Innenraumbegrünung in der Ausgestaltung der technischen Gebäudeausstattung sind daher unabdingbar. Das bedeutet, dass die Grünwand zusammen mit der technischen Gebäudeausrüstung schon in der Planung betrachtet werden sollte. Beim nachträglichen Einbau einer vertikalen Innenraumbegrünung in einen bestehenden Raum sollte in jedem Fall das Lüftungskonzept überarbeitet werden.

An der Oberfläche der Brettsperrholzdecke stellte sich im Projekt direkt nach Installation der Innenraumbegrünung wegen
des kontinuierlichen Anstiegs der Luftfeuchtigkeit nach circa 32 Stunden eine Ausgleichsfeuchte ein. Im weiteren Verlauf stellte sich aufgrund von durch Fensterlüftung verursachten, sehr kurzfristigen Schwankungen der Luftfeuchtigkeit erst nach längerer Zeit eine globale Tendenz und somit die Ausgleichsfeuchte ein.

Insgesamt ergab sich zwischen den Messungen im Referenzzeitraum ohne Grünwand und dem Abschluss der Messungen mit derselben ein Anstieg der Holzfeuchte um 2,9 Prozentpunkte. Das Projektteam stellte fest, dass der Einfluss der Pflanzen mit zunehmender Entfernung in den Raum hinein nicht im zunächst erwarteten Maß abnimmt. Aus diesem Grund stellte sich im Bauteil mit zunehmender Entfernung zur bepflanzten Wand kein Holzfeuchtegradient ein. Die mittlere Holzfeuchte an der Oberfläche betrug mit eingebauter Grünwand 11,2 Prozent. Die Brettsperrholzdecke des Forscherhauses wird demnach weiterhin der Nutzungsklasse 1 nach DIN EN 1995-1-1 zugeordnet, da die relative Luftfeuchtigkeit nur an einigen Wochen pro Jahr den in dieser Nutzungsklasse maßgeblichen Grenzwert von 65 Prozent überschreitet. Es sind demnach keinerlei negative Effekte auf angrenzende Holzbauteile durch temporär erhöhte relative Luftfeuchtigkeit, verursacht von der vertikalen Innenraumbegrünung, zu erwarten. Im Gegenteil kann die vertikale Innenraumbegrünung durch die Erhöhung der relativen Luftfeuchte im Raum – insbesondere während der Heizperiode im Winter – das mögliche Risiko von Knackgeräuschen und Rissbildung im Holz verringern. Essenziell ist allerdings eine funktionsfähige Abdichtung der hinterlüfteten Konstruktion in Richtung der tragenden Wand, um Hinterläufigkeit zu verhindern und so die tragenden Wandbauteile aus Holz vor unzuträglicher Feuchte zu schützen. Das gilt allerdings nicht nur für Holzgebäude, sondern ebenso für jede konventionelle Bauweise.

Literaturquellen

[1] A. Bucher, F. Kohlrausch, J. M. Kuckelkorn und R. Troll (2016) – „Berechenbare Unterstützung der Klimatisierung von energetisch hocheffizienten Gebäuden durch dezentrale, funktionale Innenraumbegrünung“, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart

[2] W. Stumpf, E. Blümel und D. Schreiner (2012) – „Wissenschaftliche Studie zur Wirkanalyse einer Florawall (vertikalen Begrünung)“, FH Burgenland

[3] L. Weber (2019) – „Einfluss von vertikaler Innenwand-Begrünung auf das Raumklima und Behaglichkeit in Schulen“, Technische Universität Wien, Institut für Werkstofftechnologie, Bauphysik und Bauökologie, Diplomarbeit

[4] P. Niemz und T. Gereke (2009) – „Auswirkungen kurz- und langzeitiger Luftfeuchteschwankungen auf die Holzfeuchte und die Eigenschaften von Holz“, Bauphysik, Jahrgang 31, Nummer 6, Seiten 380-385

[5] B. C. Wolverton (1989) – „Interior Landscape Plants for Indoor Air Pollution Abatement”

Die AutorInnen

Nadine Dalhoff hat Holzingenieurwesen an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in Hildesheim studiert. Im Anschluss nahm die angehende Tragwerkplanerin ihr Masterstudium im Bereich Green Building Engineering an der TH Köln auf, das sie 2022 erfolgreich abschloss. Die im Rahmen ihrer Werkstudententätigkeit für Brüninghoff entstandene Abschlussarbeit befasst sich mit den Auswirkungen von Grünwänden auf die Raumluftqualität und Holzfeuchte im Holzbau.

Prof. Dr. Nina Kloster studierte an der Universität Duisburg-Essen und arbeitete anschließend am Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik Umsicht in Oberhausen. Parallel promovierte sie an der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz zum Thema Biofilmmechanik. 2016 übernahm Prof. Dr. Kloster die Leitung des Fraunhofer-InHaus-Zentrums in Duisburg. Seit 2017 ist sie am Institut für Technische Gebäudeausrüstung (TGA) der TH Köln tätig (Lehrgebiet „Gesundheit und Komfort im Gebäude“).

Dr. Jan Wenker ist gelernter Tischler und studierte anschließend Holzwirtschaft (M. Sc.) an der Universität Hamburg mit Schwerpunkt Holzphysik,Holzwerkstoffe und Verfahrenstechnik. Nach der Promotion an der TU München zur Ökobilanzierung komplexer Holzprodukte ist er seit Anfang 2017 als Projektleiter Forschung, Entwicklung, Innovation bei Brüninghoff tätig. Dr. Wenker befasst sich hier insbesondere mit Systemen für den intelligenten Hybridbau sowie der Entwicklung und Umsetzung von Konzepten für nachhaltige Gebäude und Bauprozesse.

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