Dekarbonisierung mit KWK-Multivalenz-Lösung

Kamenz ist die Kohle los

Text: Dipl.-Ing. (TH) Olaf Besser | Foto (Header): © Yados GmbH

Eine klimafreundliche, stabile und gleichzeitig wirtschaftliche Energiebereitstellung setzt voraus, den Primärenergieeinsatz in allen Bereichen der Erzeugung – Wärme, Kälte und Strom – signifikant zu reduzieren. Das gelingt auch, indem die vorhandenen Effizienzpotenziale ausgereifter und erprobter Technologien konsequent ausgeschöpft werden. Wie das geht, zeigt das sächsische Kamenz. Die Energie und Wasserversorgung Aktiengesellschaft Kamenz (EWAG Kamenz) hat ihre mit Braunkohle und Öl befeuerten Erzeugeranlagen abgeschafft: Heute wird das Fernwärmenetz per Kraft-Wärme-Kopplung nachhaltig versorgt.

Auszug aus:

GEG Baupraxis
Fachmagazin für energieeffiziente und ressourcenschonende Neu- und Bestandsbauten
Ausgabe Mai / Juni 2023
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Moderne Fernwärmenetze sind darauf ausgelegt, thermische Energie aus diversen Quellen in eine nachhaltige Wärmeversorgung einzubinden. Damit gilt Fernwärme als zielführender Baustein einer erfolgreichen Energiewende im Wärmesektor. Die Anforderungen an Klimaschutz, Energieeinsparung, Investitionskosten und Wirtschaftlichkeit werden nicht zuletzt durch die Integration hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) erfüllt, die es erlauben, maximale Wirkungsgrade zu realisieren. Die Vorteile der gekoppelten Produktion von elektrischer und thermischer Energie liegen auf der Hand: Während bei konventioneller Stromerzeugung ein Großteil der (Abwärme-)Energie ungenutzt bleibt, wird zugeführte Primärenergie im KWK-Verfahren deutlich wirtschaftlicher und ökologischer genutzt. Im Vergleich zur getrennten Strom- und Wärmeerzeugung liegt der Einsatz an Rohstoffen um etwa ein Drittel niedriger. Das vermeidet, nicht zuletzt dank hochentwickelter Blockheizkraftwerk-(BHKW)-Motorentechnik, klimaschädliche C0₂-Emissionen.

Mit ihrer effizienten Brennstoffnutzung können die Anlagen einen Gesamtwirkungsgrad (gemäß Hi) von bis zu 90 % erreichen. Auch vor dem Hintergrund erneuerbar oder synthetisch erzeugter Gase (Power2Gas, Power2Liquid) bietet die flexible Technologie attraktive Optionen. Bereits jetzt ist es möglich, KWK-Anlagen mit Biogas und künftig auch mit synthetischen Biokraftstoffen C0₂-neutral zu betreiben. Um optimale Nutzungsgrade zu erreichen, sind kontinuierlich hohe Strom-und Wärmeabfragen ideal, was sie für die Versorgung ganzer Quartiere bzw. Stadtteile interessant macht. So auch in der Lessingstadt Kamenz. Hier sorgen zwei neu konzipierte Heizkraftwerke der Energie und Wasserversorgung Aktiengesellschaft Kamenz (EWAG Kamenz) mit insgesamt vier BHKWs der Yados GmbH aus Hoyerswerda für elektrische Energie und Wärme.

 

Effizienz: Mehr als die Summe ihrer Komponenten

Der neue Erzeugerverbund der EWAG Kamenz umfasst neben den vier BHKWs des Typs Yado|KWK EG-1000 einen Holzpellet- und drei Hoval Gas-Brennwertkessel mit je 5 MW Leistung sowie sechs Yados Pufferspeicher mit insgesamt 480 m³ Speicherkapazität. Installiert wurden die Anlagen an den bereits bestehenden Heizkraftwerkstandorten Christian-Weißmantel-Straße und Friedensstraße. Im Vorfeld der Installation wurden die Bestandsgebäude in vier Bauabschnitten entkernt, grundsaniert und um einen Anbau im Schnellbauverfahren erweitert. Der ausgediente, etwa 80 Tonnen schwere Braunkohlestaubkessel in der Christian-Weißmantel-Straße wurde samt Rohr-und Heizungsleitungen ausgebaut, um zwei der BHKWs sowie einem Gas- und Holzpelletkessel Platz zu machen. Die beiden anderen BHKWs und zwei Brennwertkessel zur Warmwassererzeugung arbeiten im neuen Heizwerk in der Friedensstraße.

Für das Kamenzer Energieprojekt gingen die wärmegeführten BHKWs erstmalig mit Siemens-Motoren an den Start: Die Anlagen generieren je 1 MW elektrische und 1.060 kW thermische Leistung bei einer Brennstoffleistung von 2.376 kW. Bis zu 10 % Wasserstoff können dem Verbrennungsgas für die BHKWs und die Kesselanlagen als Erdgas-Substitut beigemischt und C0₂-Emissionen somit weiter deutlich reduziert werden. Die BHKWs verfügen über speziell gefertigte Schallschutzhüllen, die den bestehenden Gebäudeschallschutz ergänzen und sicherstellen, dass gesetzlich zugelassene Geräuschemissionswerte für Mischgebiete (60/45 dB gemäß TA Lärm) nicht überschritten werden.

Die Wärmegrundversorgung der angeschlossenen Kamenzer Haushalte erfolgt vorrangig über die vier BHKWs. Zur kalten Jahreszeit ergänzt der Holzpelletkessel mit 1,25 MW thermischer Leistung den Betrieb. Die Gasbrennwertkessel werden in modulierender Fahrweise im Voll- bzw. Teillastbetrieb zugeschaltet und dienen im Sommer zur Spitzenlastdeckung. Die hohen Wirkungsgrade BHKW von 85,3 % resultieren aus einem optimalen Brennstoffeinsatz. Dank dualer Abwärme-Auskopplung von Abgas und Motorwärme lässt sich der Primärenergieverbrauch deutlich senken. Das wird ermöglicht durch die Führung von zwei getrennten Sekundärkreisläufen. Dadurch können die unterschiedlichen Temperaturniveaus, die im KWK-Vorgang freigesetzt werden (rund 500 °C Abgaswärme und 90 °C Motorkühlwasser), effizient in den Versorgungsprozess integriert und per indirekter Wärmeauskopplung in das Fernwärmenetz oder die Pufferspeicher eingespeist werden.

Die Übertragung der Wärmeenergie erfolgt jeweils über einen Plattenwärmetauscher, einen Abgaswärmetauscher sowie einen Brennwertabgaswärmetauscher, der in der Gaskesselanlage verbaut ist. Um Wärmeverluste möglichst gering zu halten, wurden die Rohre des Wärmeverteilers mit einer speziellen Blechisolierung ummantelt. Was die ermittelten Effizienzkennzahlen anbelangt, so erreicht die Kamenzer Multivalenz-Lösung einen Gesamtwirkungsgrad (von allen gasbefeuerten Energieerzeugern) von über 90 %. Der BHKW-Holzpellet-Verbund erzielt einen Primärenergiefaktor von 0,55. Und nicht zu vergessen – auch die im KWK-Prozess erzeugte elektrische Energie wird an die örtlichen Abnehmer geliefert und deckt etwa die Hälfte des Strommengenbedarfs im Netzgebiet der EWAG Kamenz ab.

 

Energetisch fit für Zukunft

Stadtwerke spielen bei der Transformation der Energiewirtschaft hin zur Klimaneutralität eine zentrale und aktive Rolle. Sie sind es, die den Umstieg auf umweltschonende Erzeugungstechnologien und den Klimaschutz vor Ort vorantreiben. Zugleich stellen aktuelle wirtschaftliche und geopolitische Entwicklungen, die zunehmende Dezentralisierung der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien und die geforderte Dekarbonisierung komplexe Anforderungen an die lokalen Energiedienstleister. Umso wegweisender sind ökonomisch und ökologisch zukunftsfeste, energetische Lösungen wie in Kamenz. Insbesondere dann, wenn neben der Modernisierung der Energieversorgung auch der Infrastrukturausbau konsequent vorangetrieben wird: Die Trassenlänge de Kamenzer Nahwärmenetzes beträgt heute mehr als 24 km und deckt damit etwa die Hälfte des Stadtgebiets ab. Um den Wärmebedarf auch in Zukunft bzw. bei steigenden Abnehmerzahlen verlässlich bedienen zu können, stehen bereits jetzt – bei einer Gesamtleistung von insgesamt 21,5 MW thermischer Leistung – rund 3 MW zusätzlich zur Verfügung.

Der Autor

Dipl.-Ing (TH) Olaf Besser hat Wärmetechnik an der Technischen Hochschule Zittau studiert und war ab 1995 in verschiedenen verantwortlichen Funktionen für Unternehmen der Energie- und Wärmewirtschaft tätig. Seit 2009 ist er Prokurist in der Geschäftsleitung der Yados GmbH.
Kontakt unter: Olaf.Besser@yados.de
www.yados.de

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