Neues Energieeffizienzgesetz

Standards für Rechenzentren

Text: Thomas Brenner | Foto (Header): © Damian Sobczyk – stock.adobe.com

Am 18.11.2023 ist das neue „Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz in Deutsch­land“ (Energieeffizienzgesetz – EnEfG) in Kraft getreten. Neben konkreten Effizienz­maßnahmen für die öffentliche Hand und Unternehmen, die u. a. das Thema Abwär­me betreffen, definiert es erstmals Effizienzstandards für Rechenzentren. Doch wie gelingt der Balanceakt zwischen Innovation und praktischer Umsetzung im Kontext der Abwärmenutzung und Energieeffizienz?

Auszug aus:

GEG Baupraxis
Fachmagazin für energieeffiziente und ressourcenschonende Neu- und Bestandsbauten
Ausgabe Januar / Februar 2024
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Mit dem Gesetz zur Steigerung der Ener­gieeffizienz in Deutschland ist ein entschei­dender Schritt in Richtung einer grüneren Zukunft getan. Das neue Gesetz berührt wesentliche Bereiche von Industrie und Gemeinwesen – insbesondere Rechenzen­tren, Kommunen und Energieversorgungs­unternehmen. Seine Hauptzielsetzung ist klar: die Förderung nachhaltiger Praktiken und eine drastische Reduktion von Treib­hausgasemissionen. Dabei liegt ein be­sonderer Fokus auf der effektiven Nutzung von Abwärme. Für Rechenzentren beinhal­tet das verbindliche Bestimmungen, die sowohl den Energieverbrauch minimieren als auch die effektive Nutzung von Abwär­me maximieren. Das EnEfG rückt Rechen­zentren und ihren Energieverbrauch in den Fokus des öffentlichen Interesses und stellt den Sektor vor eine Vielzahl an komplexen Fragen, die in den nächsten Jahren inten­siv adressiert werden müssen. Gemäß dem neuen Gesetz wird ab Juli 2026 für neu in Betrieb genommene Rechenzentren die Implementierung planungsrelevanter Maßnahmen zur Abwärmenutzung un­erlässlich. Das gilt für Anlagen mit einer Kapazität von mindestens 300 kW (öffent­licher Sektor) und l .000 kW (privater Sek­tor) IT-Leistung. Diese Schritte sind eng verzahnt mit dem Gebäudeenergiegesetz 2024 (GEG). In Verbindung mit der kom­munalen Wärmeplanung zeichnet sich hierbei ein integrativer Ansatz ab, der das Ziel verfolgt, die Energieeffizienz ganzheit­lich zu optimieren.

 

Anreize und Herausforderungen

Das Gesetz hat zweifellos das Potenzial, die Branche zu revolutionieren. Es hält so­wohl Wärmeabnehmer als auch Wärme­lieferanten dazu an, wegweisende Lösun­gen und Konzepte zu kreieren. Mit einem stufenweisen Anstieg der Energierückge­winnungsfaktoren, der bei zehn Prozent im Jahr 2026 beginnt und sich bis 2028 auf 20 Prozent erhöht, werden technolo­gische Durchbrüche und Investitionen in Forschung und Entwicklung stark begüns­tigt. Trotzdem birgt die Umsetzung des Gesetzes eine Reihe von Herausforderun­gen. Ein grundlegendes Beispiel für sol­che Schwierigkeiten ist das Fehlen ad­äquater Infrastrukturen: Betreiber von Rechenzentren können zwar einplanen, Abwärme an ihren Grundstücksgrenzen bereitzustellen, es mangelt jedoch an effi­zienten Netzwerken, die diese Wärme zur weiteren Nutzung transportieren könnten.

Noch kritischer wird die Situation, wenn man spezifische Fälle betrachtet, wie etwa Frankfurt. Die Stadt fordert eine hundert­prozentige Abwärmenutzung von den Re­chenzentren. Die Frage ist jedoch, wie sich diese Forderung erfüllen lässt, wenn die essentielle Infrastruktur für den Wärme­transport nicht vorhanden ist? Hinzu kommt das Problem des von Rechenzen­tren gelieferten Temperaturniveaus von 26 bis 28 °C. Diese Temperatur ist für her­kömmliche Heizsysteme oft zu niedrig und erfordert spezialisierte Wärmepumpen­technologien, die nicht nur technisch an­spruchsvoll, sondern auch kostenintensiv sind. Ein optimales Szenario wäre ein Re­chenzentrum in einem Gewerbegebiet na­he Einrichtungen, wie Schwimmbädern oder Gewächshäusern. Solche Standorte könnten optimal von der Abwärmenutzung profitieren, jedoch sind sie eher die Aus­nahme als die Regel.

Internationale Perspektiven

Deutschland befindet sich gerade in den Anfängen, das enorme Potenzial der Ab­wärmenutzung aus Rechenzentren voll auszuschöpfen. Aber ein Blick über die Grenzen zeigt, dass andere europäische Länder bereits beeindruckende Fortschrit­te in diesem Bereich gemacht haben. Bei­spiel Schweden: Hier wurden bereits Pro­jekte umgesetzt, bei denen die Abwärme von Rechenzentren direkt in die städtische Heizungsinfrastruktur eingespeist wird. In der Stadt Stockholm gibt es ein Projekt namens „Open District Heating“, bei dem Technologieunternehmen und Re­chenzentren ihre Abwärme an die städti­schen Heiznetze verkaufen können. Das ermöglicht nicht nur eine zusätzliche Ein­nahmequelle für die Unternehmen, son­dern hilft der Stadt auch, ihre C02 -Emis­sionen erheblich zu reduzieren. Finnland, bekannt für seine kalten Winter und seine Abhängigkeit von Fernwärme, hat eben­falls die Vorteile der Integration von Re­chenzentren in seine Energiepläne er­kannt. In der Stadt Espoo wird etwa die Abwärme eines lokalen Rechenzentrums genutzt, um Wasser für das städtische Heiznetz zu erwärmen. So lassen sich Tausende von Haushalten mit Wärme versorgen.

 

Rolle der Kommunen und Energieversorger

Das Energieeffizienzgesetz kann nur so gut sein wie seine Umsetzung vor Ort. Kommunen und Energieversorger spielen eine entscheidende Rolle, wenn es um die effektive Implementierung des Geset­zes geht. Sie stehen vor der Herausforde­rung, die notwendige Infrastruktur zu schaffen, um die von den Rechenzentren erzeugte Abwärme optimal zu nutzen. Es ist nötig, eine robustere und koordinier­tere Infrastruktur zu entwickeln, bei der sowohl die Energieerzeuger als auch die -verbraucher in harmonischem Einklang agieren können. Es ist offensichtlich, dass eine engere Zusammenarbeit zwi­schen den verschiedenen Akteuren erfor­derlich ist, um die vollen Vorteile des Ge­setzes auszuschöpfen und das Potenzial der Abwärmenutzung vollständig zu rea­lisieren.

Erfahrungsgemäß dauert es aber oft sehr lang, bis aus umfassenden Planungen nutzbare Infrastrukturen entstanden sind. Das zwingt Rechenzentrenbetreiber da­zu, proaktiv zu agieren und Alternativen in Betracht zu ziehen. Das bedeutet, dass sie sich für eine autarke Lösung entscheiden, bei der sie eigene Systeme zur Abwärmenutzung implementieren. Eine solche „lnsellösung“ könnte bspw. die Nutzung der Abwärme für Heizzwe­cke innerhalb des eigenen Gebäudes oder in direkter Nachbarschaft sein. Eine andere Strategie wäre, den Standort des Rechenzentrums gezielt so zu wählen, dass er sich in der Nähe bereits existie­render Wärmenetze oder potenzieller Abnehmer für die Wärme aus dem Re­chenzentrum befindet. In der Konzept­phase müssen Betreiber und Planer da­her weit über die herkömmlichen Anforderungen hinausdenken. Neben der Sicherstellung einer zuverlässigen Energieversorgung gilt es künftig, das Augenmerk auch auf die effiziente Ab­führung der Abwärme zu legen.

 

Technologie und Wirtschaft­lichkeit in Balance

Zudem wird sich durch das neue Gesetz die Rolle der Rechenzentren maßgeblich verändern und die Betreiber müssen neue Aufgaben übernehmen. Rechen­zentren werden sich von reinen Daten­verarbeitungszentren hin zu potenziellen Energiezentralen wandeln, die sowohl Daten als auch Wärme liefern können. Diese Evolution eröffnet den Betreibern neue Geschäftsmodelle und Einnahme­quellen durch den Verkauf oder die Wei­tergabe der von ihnen produzierten Ab­wärme an städtische Wärmenetze oder private Unternehmen. Doch um diese neuen Einnahmequellen zu erschließen, bedarf es einer sorgfältigen Planung und Strategieentwicklung. Wer ist für die Ab­wärme zuständig? Zu welchem Preis wird sie verkauft? Wie wird sie effektiv an Ab­nehmer geliefert? Diese und andere Fra­gen betreffen nicht nur technische und ökologische Überlegungen, sondern auch – und vielleicht v. a. – wirtschaftli­che. Es ist unerlässlich, dass klare Zu­ständigkeiten und Verantwortlichkeiten definiert werden, um sicherzustellen, dass diese neuen Geschäftsmodelle nicht nur umweltfreundlich, sondern auch fi­nanziell tragfähig sind.

Energieeffizienzgesetz: Vermeidung und Verwendung von Abwärme

Das neue Energieeffizienzgesetz widmet sich in Abschnitt 5 auch dem Umgang mit Abwärme. Hierzu definiert das Gesetz u. a. Folgendes:

§ 16: Vermeidung und Verwendung von Abwärme
(l) Unternehmen sind verpflichtet, die in ihrem Unternehmen entstehende Abwärme nach dem Stand der Technik zu vermeiden und die anfallende Abwärme auf den Anteil der technisch unvermeidbaren Abwärme zu reduzieren, soweit dies möglich und zumut­bar ist. Im Rahmen der Zumutbarkeit sind technische, wirtschaftliche und betriebliche Belange zu berücksichtigen …

(2) Unternehmen haben die anfallende Abwärme durch Maßnahmen und Techni­ken zur Energieeinsparung durch Abwär­menutzung wiederzuverwenden, soweit dies möglich und zumutbar ist. Im Rah­men der Zumutbarkeit sind technische, wirtschaftliche und betriebliche Belange zu berücksichtigen. Dafür sollen Maßnah­men zur Abwärmenutzung nicht nur auf die jeweilige Anlage beschränkt werden, sondern auch Nutzungsmöglichkeiten der Abwärme auf dem Betriebsgelände sowie bei externen Dritten einbezogen werden. Um größtmögliche Effizienzgewinne zu erzielen, soll die rückgewonnene Abwärme kaskadenförmig, entsprechend ihrem Exergiegehalt, als Maß ihrer energeti­schen Qualität oder Arbeitsfähigkeit oder in abfallenden Temperaturschritten, mehr­fach wiederverwendet werden.

(4) Ausgenommen von den Pflichten nach Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 sind Unternehmen, die einen jährlichen durch­schnittlichen Gesamtendenergieverbrauch innerhalb der letzten drei abgeschlosse­nen Kalenderjahre von 2,5 GWh oder we­niger haben.

§ 17: Plattform für Abwärme
(1) Unternehmen sind auf Anfrage von Be­treibern von Wärmenetzen oder Fernwär­meversorgungsunternehmen und sonsti­gen potenziellen wärmeabnehmenden Unternehmen verpflichtet, Auskunft zu ge­ben über die folgenden Informationen in Bezug auf die im Unternehmen anfallende unmittelbare Abwärme:

  1. Name des Unternehmens,
  2. Adresse des Standortes oder der Stand­orte, an dem die Abwärme anfällt,
  3. jährliche Wärmemenge und maximale thermische Leistung,
  4. die zeitliche Verfügbarkeit in Form von Leistungsprofilen im Jahresverlauf,
  5. vorhandene Möglichkeiten zur Rege­lung von Temperatur, Druck und Ein­speisung,
  6. durchschnittliches Temperaturniveau in °C.

(2) Unternehmen sind verpflichtet, unab­hängig vom Vorliegen einer konkreten An­frage die in Abs. 1 aufgeführten Informa­tionen an die Bundesstelle für Energieeffizienz bis zum 31. März eines jeden Jahres zu übermitteln und die über­mittelten Informationen bei Änderungen sofort zu aktualisieren. Die Übermittlung soll in der vom Bund hierzu bereitgestell­ten elektronischen Vorlage erfolgen. Die Bundesstelle für Energieeffizienz stellt die übermittelten Informationen unter Wah­rung von Betriebs- und Geschäftsgeheim­nissen nach Satz 1 auf einer öffentlich zu­gänglichen Plattform für Abwärme bereit.

(4) Ausgenommen von der Auskunftspflicht nach Abs. 1 und der pflicht zur Berichterstat­tung nach Abs. 2 Satz 1 sind Unternehmen, die einen jährlichen durchschnittlichen Ge­samtendenergieverbrauch innerhalb der letzten drei abgeschlossenen Kalenderjahre von 2,5 GWh oder weniger haben.

Quelle: EnEfG (red. bearbeitete Auszüge aus dem Gesetzestext)

Der Autor

Thomas Brenner ist bei der Prior l GmbH für die Planung und Umsetzung von Rechenzentrums-Projekten zuständig.

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