Montage und Abdichtung von bodentiefen Fenstern und Türen
Anspruchsvoller Anschluss
Text: Wolfgang Jehl und Jürgen Benitz-Wildenburg | Foto (Header): © schulzfoto – stock.adobe.com
Die Fenstertechnik hat sich durch die energetischen Anforderungen enorm entwickelt und auch die Montagetechnik muss diesen Anforderungen gerecht werden. Die Bauphysik, Gebrauchstauglichkeit, Wirtschaftlichkeit und ein vertretbarer Wartungsaufwand werden bei der Planung oft nicht ausreichend genug berücksichtigt oder der ausführenden Firma übertragen. Hierzu gehören auch die sorgfältige Planung der Baukörperanschlüsse, insbesondere bei der energetischen Sanierung und komplexen Fällen wie bei bodentiefen Verglasungen/Bauelementen sowie barrierefreien Türen.
Auszug aus:
EnEV Baupraxis
Fachmagazin für energieeffiziente Neu- und Bestandsbauten
Ausgabe März / April 2018
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Die Montage moderner Fenster und Türen ist deshalb eine anspruchsvolle Planungsaufgabe, auch weil höhere Fenstergewichte, größere Abmessungen, geringere Tragfähigkeiten hochwärmedämmender Außenwände sowie die Zunahme an Sonderanforderungen (Einbruchhemmung, Absturzsicherung, Barrierefreiheit etc.) zu berücksichtigen sind. Insbesondere die Befestigung bodentiefer Fensterelemente ohne separate Absturzsicherung aus Metall oder Paneelen ist eine Aufgabe, die gemeinsam vom Planer und der ausführenden Firma frühzeitig angegangen werden muss. Da es für die Montage keine Norm im eigentlichen Sinn gibt, hat das ift Rosenheim mit der RAL-Gütegemeinschaft Fenster und Haustüren einen „Montageleitfaden“ [1] für Fenster und Fassaden erarbeitet, der die Anforderungen beschreibt und Planungsgrundlagen, Tabellen mit Kennwerten, Bemessungsdiagramme und praxistaugliche, geprüfte Ausführungsdetails enthält.
Grundlagen und Anforderungen
Beim Einbau von Fenstern, Außentüren und Fassaden sind der winterliche und sommerliche Wärmeschutz (EnEV), der Feuchteschutz (Tauwasser, Schlagregen, DIN 4108), der Schallschutz (DIN 4109), der Brandschutz (DIN 4102) sowie eine sichere Befestigung im Gebäude zu beachten. In der EnEV 2016 werden in § 6 „Dichtheit, Mindestluftwechsel“ Anforderungen an die Dichtheit der Gebäudehülle gestellt: „Gebäude sind so auszuführen, dass die wärmeübertragende Umfassungsfläche einschließlich der Fugen dauerhaft luftundurchlässig und entsprechend den anerkannten Regeln der Technik abgedichtet ist“. Planung und Nachweis sind Aufgabe des Planers. Das umfasst auch den feuchtetechnischen Nachweis, der in der Regel über die Bestimmung des fRSI-Faktors erfolgt. Nach Muster-/Landesbauordnung (MBO/LBO) und der VOB/C ATV (z. B. DIN18360 Metallbauarbeiten) heißt es „… die Verankerungen der Bauteile im Baukörper sind so anzubringen, dass das Übertragen der Kräfte in den Baukörper gesichert ist“. Dazu müssen für die Planung und die Ausschreibung die notwendigen Zeichnungen und Angaben zu Objekt, Nutzungszweck, Bauweise und Wandkonstruktion bzw. -baustoffe vorhanden sein. Weiterhin sind Angaben zu Einbausituation, Einbauhöhe, Einbauebene und den zu berücksichtigenden Lasten und Bauwerksbewegungen zu machen.
Absturzsichernde Bauelemente
Bauelemente und Verglasungen übernehmen die Funktion einer absturzsichernden Umwehrung (Geländer), wenn sie unterhalb der Brüstungshöhe eingebaut werden und einem bestimmten Höhenunterschied zwischen Fußboden (Raumseite) und angrenzender Geländeoberkante (Außenseite) überschreiten. Die maßgeblichen Brüstungshöhen (zwischen 0,8 m und 1,2 m) und Höhenunterschiede > 1,0 m (in Bayern > 0,5 m) sind in den Landesbauordnungen der Länder geregelt. Es gelten baurechtliche Anforderungen an die Absturzsicherung des Elements inklusive der verwendeten Befestigungsmittel zum Baukörper. Diese müssen „geregelt“ sein oder einen Verwendbarkeitsnachweis (abZ oder ETA, abP, ZiE)1 haben. Es sind zwei Nachweise zur Tragsicherheit (statische und stoßartige Einwirkungen) einschließlich der Verankerung im tragenden Baugrund zu führen. Das System sollte als „Befestigungskette“ verstanden werden, die vom Glas über den Fensterflügel/-rahmen bis zum Mauerwerk reicht. Das gilt auch, wenn Geländer am Fensterrahmen und nicht in der Wand befestigt sind. Die tragenden Teile der absturzsichernden Konstruktion einschließlich der Befestigung zum Baukörper müssen den einschlägigen technischen Regeln entsprechen. Abhängig von der Kategorie der absturzsichernden Verglasung nach DIN 18008-4 sind hinsichtlich der Befestigung, je nach Lage, unterschiedliche Einwirkungen zu berücksichtigen. Gleiches gilt sinngemäß für die Befestigung einer absturzsichernden Brüstung (französischer Balkon) am Fensterelement. Beim Nachweis ist die Tragfähigkeit (= Widerstand) des gewählten Befestigungselements den ermittelten Lasten gegenüberzustellen und Befestigungselemente zu verwenden, die nach eingeführten technischen Baubestimmungen rechenbar sind, oder die eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) oder europäische technische Bewertung (ETA) haben, bei der auch die verwendeten Wandbauarten und -baustoffe beschrieben sind. Hier sollten zudem Angaben zum Einsatz in der Leibung und Verarbeitungsvorgaben für das Befestigungselement (Bohrverfahren, Bohrerdurchmesser, Bohrlochtiefe, Ausblasen der Bohrlöcher etc.) vorhanden sein. Alternativ kann der Nachweis im Rahmen einer Zustimmung im Einzelfall auf Basis entsprechender Prüfungen geführt werden (ZIE). Für die Praxis heißt das, dass Dübelverankerungen vom Planer bemessen werden müssen und die Montage von geschultem Personal zu erfolgen hat.
Abdichtung
Bauelemente in der Gebäudehülle sind Belastungen durch Feuchtigkeit sowohl von außen (Schlagregen) wie innen (Luftfeuchte, Tauwasser) ausgesetzt. Die fachgerechte innere und äußere Abdichtung der Anschlussfuge zum Baukörper muss deshalb viele Funktionen erfüllen, die durch das Prinzip des Ebenenmodells verständlich erklärt werden. Je nach Außenwandsystem und Einbausituation ergeben sich unterschiedliche Anschlüsse zwischen Bauteil und Wand. In Abhängigkeit der zu erwartenden Beanspruchung aus Gebäudestandort, Einbaulage, Fensterkonstruktion, Nutzung und Anschlussausbildung muss eine objektspezifische Differenzierung erfolgen, die bei der Wahl des Dichtsystems folgende Aspekte berücksichtigt:
- zu erwartende Bewegungen/Verformungen (Deckendurchbiegung, Längenänderung aufgrund Temperatur oder Feuchte),
- Beschaffenheit der Fugenflanken und der angrenzenden Materialien
- Fugengeometrie
- vorhandene Bautoleranzen
- gestalterische Belange (Sichtfugen)
Hinsichtlich zu erwartender Bauwerksbewegungen, z. B. Deckendurchbiegungen bei weit gespannten, raumhohen Fensteröffnungen sind die planerischen Vorgaben zu beachten oder Informationen vom Statiker einzuholen. Zu erwartende Bewegungen aus der Fensterkonstruktion werden bei Kunststoff- und Metallfenstern durch Temperaturänderungen und bei Holzfenstern durch Feuchteänderungen verursacht. Durch das Differenzklima zwischen Raum- und Außenseite ergibt sich eine unterschiedliche Temperatur- bzw. Feuchteverteilung über den Profilquerschnitt und Verformungen, die nicht nur in Fensterebene, sondern auch rechtwinkelig dazu auftreten können. Bauteilanschlussfugen können mit spritzbaren Dichtstoffen, imprägnierten Dichtungsbändern aus Schaumkunststoff, Multifunktionsbändern, Fugendichtändern/-folien und Anputzdichtleisten abgedichtet werden. Die grundsätzliche Eignung des Dichtsystems und der für die Ausführung vorgesehenen Materialien ist zu klären und sollte über einen Eignungsnachweis auf Basis der ift-Richtlinie MO-01/1 „Baukörperanschluss von Fenstern, Teil 1: Verfahren zur Ermittlung der Gebrauchstauglichkeit von Abdichtungssystemen“ verfügen [4]. Im Montageleitfaden werden die verfügbaren Abdichtungssysteme und deren Anwendung ausführlich beschrieben. Es werden detaillierte Handlungsempfehlungen, Checklisten und Datenblätter für die unterschiedlichen Dichtsysteme (siehe Beispiel Dichtstoffe) sowie Ausführungsbeispiele für den Fenstereinbau im Neu-/Altbau für typische Außenwandsysteme mit allen notwendigen Kenndaten und Berechnungen gegegeben. Sie dienen als Vorbild und Vorlage gegenüber Architekten und Bauherren, sowie zur Entwicklung individueller Montagedetails. Der ift-Montageplaner ermöglicht eine kostenlose bauphysikalische Berechnung individueller Montagesituationen und gibt einen ift-Montagepass mit den technischen Kennwerten aus (www.ift-montageplaner.de).
Schwellenausbildung
Bei der Schwellenausbildung bodentiefer Elemente sind je nach objektspezifischen Anforderungen sehr unterschiedliche Ausführungen zu beachten, die auch Einfluss auf die Gestaltung haben und flankierende Maßnahmen am Baukörper erfordern, um die dauerhafte Gebrauchstauglichkeit sicherzustellen. Insbesondere bei dieser Schnittstelle sind vom Planer das Ineinandergreifen der angrenzenden Gewerke zu planen, die Leistungen eindeutig abzugrenzen und bei der Ausführung zu koordinieren. Folgende Kriterien sind beim Bodenanschluss und der Schwellenausbildung von Außen- und Fenstertüren zu beachten:
- Der Schutz der seitlich an Außen- und Fenstertüren angrenzenden Außenwand, wobei die Anschlüsse an die Wand die „Abdichtungshöhe“ sicherstellen müssen.
- Der Schutz der unten an Außen- und Fenstertüren angrenzenden Außenwand, wobei die Anschlüsse, auch im Übergang zum seitlichen Baukörperanschluss, dauerhaft dicht sein müssen.
- Die konstruktive Ausbildung der Schwelle, sodass ein fachgerechter Anschluss des angrenzenden Gewerks möglich ist.
- Die tatsächlich zu erwartende Belastung des Anschlusses von bodentiefen Elementen durch nicht drückendes Wasser aus Niederschlag und Spritzoder Schmelzwasser und den daraus abzuleitenden baulichen Kompensationsmaßnahmen.
- Die zumutbare Schwellenhöhe aus der Raumnutzung, insbesondere beim barrierefreien Bauen.
Die Regelwerke für angrenzende Gewerke und die Bauwerksabdichtung (DIN 18195) haben die Abdichtung des unteren Anschlusses und nicht die der (Fenster-)Tür im Fokus. Sofern keine baulichen Kompensationsmaßnahmen erfolgen, wird eine Abdichtungshöhe über der Oberfläche der Schutzschicht, des Belags oder der Überschüttung von 150 mm als notwendig angesehen. Gleichzeitig wird auf Ausnahmen bei den Abdichtungshöhen bei Außen- und Fenstertüren hingewiesen (Barrierefreiheit). Wird die Abdichtungshöhe unterschritten, so müssen bauseitig zusätzliche konstruktive Maßnahmen ergriffen werden, um die Belastung zu reduzieren. Das können z. B. eine Überdachung und/oder Entwässerungsrinnen im unmittelbaren Türbereich sein. Zum Schutz der Außenwand gegen nicht drückendes Wasser im Bereich von Außen- und Fenstertüren sind weitere Ausführungsmöglichkeiten zulässig, die im Montageleitfaden [1+2] detailliert beschrieben werden. Eine vorab montierte Zargenkonstruktion im Schwellenbereich kann sinnvoll sein. Dadurch werden die Bauelemente vor Beschädigungen durch angrenzende Gewerke geschützt, zudem wird eine bessere Durchführbarkeit und Überprüfung der Anschlussarbeiten sowie eine Entflechtung der angrenzenden Gewerke und damit günstigere Termingestaltung für den Bauablauf ermöglicht.
Barrierefreie Schwellen
Eine barrierefreie Schwelle sollte Personen mit radgebundenen Hilfsmitteln (Rollstuhl, Rollator), insbesondere bei eingeschränkter Körperkraft, ein einfaches und sicheres Passieren der Tür ermöglichen. Bereits kleine Höhendifferenzen können eine Barriere darstellen. Betretbare Außentür- und Fenstertürschwellen sowie barrierefreie Schwellenausbildungen sind wärmetechnische Schwachpunkte mit erhöhter Tauwassergefahr. Bei Konstruktion und Planung muss deshalb auch der Mindestwärmeschutz nach DIN 4108-2 und EnEV beachtet werden. Wichtige Kennzahlen sind der raumseitige Temperaturfaktor fRSI und der Wärmedurchgangskoeffizient U, die an der wärmetechnisch ungünstigsten Stelle nachgewiesen werden müssen. Hierbei stellen barrierefreie Schwellensysteme meist eine linienförmige Wärmebrücke dar, die zu Tauwasser und Schimmelbildung führen kann. Der Nachweis des Temperaturfaktors fRSI erfolgt an der Schnittstelle zwischen Fensterelement und Baukörperanschluss. Das eigentliche Bauelement ist von der Betrachtung ausgenommen. Eine Reduzierung des Wärmedurchgangskoeffizienten bei barrierefreien Bauelementen ist in der EnEV jedoch nicht vorgesehen. Während Feuchte aus Schlagregen oder Tauwasser bei Außentüren im Allgemeinen unproblematisch ist, da hier in der Regel unempfindliche Bodenbeläge angrenzen, können bei Fenstertüren mit niedriger, betretbarer bzw. barrierefreier Schwelle raumseitig angrenzende, empfindliche Bodenbeläge durch vorübergehende Tauwasserbildung in Mitleidenschaft gezogen werden, sodass auch hier feuchteunempfindliche Bodenbeläge vorteilhaft sind. Außerdem besteht ein Interessenkonflikt mit der Schlagregendichtheit, denn selbst die in DIN 18040 beschriebene Ausnahme mit einer Schwellenhöhe von 20 mm ermöglicht nur eine geringe Schlagregendichtheit. Bei der Prüfung entspricht eine Wassersäule von 20 mm einem Staudruck von ca. 200 Pascal. Steigt die Wassersäule höher, kommt es zum raumseitigen Wassereintritt. Durch eine geeignete Ausführung kann aber auch die Klasse 7A für zweiflügelige Stulpfenstertüren oder die Klasse 9A für einflügelige Fenstertüren erreicht werden.
Bauliche Maßnahmen wie die Vermeidung von direktem Spritzwasser (Vordach, Nische etc.), rückstaufreie und kontrollierte Wasserabführung nach außen im Schwellenbereich (Schmutzgitter und Vorkehrungen gegen Schnee- oder Eisbildung) helfen bei der Entschärfung des Interessenskonflikts und sollten, wo baulich möglich, geplant werden. Bei Altbausanierungen können einzelne Problembereiche auch erst bei der Demontage der alten Fenster- bzw. Außentüren entdeckt werden, wie z. B. schadhafte Dichtungsbahnen. In solchen Fällen ist eine sofortige Rückmeldung an den Planer bzw. Auftraggeber erforderlich, um die notwendigen Maßnahmen zur fachgerechten Anbindung festzulegen.
Schwellen sind in jedem Fall trittfest zu unterbauen und zu befestigen. Werden bei Fenstertüren Fensterbänke angebracht, so sind ebenfalls ein trittfester Unterbau und eine rutschhemmende Ausführung vorzusehen.
Der Autor
Wolfgang Jehl
Dipl.-Ing. (FH)
ist im ift Rosenheim als Produktingenieur für den Bereich äußere Abschlüsse, Montage und Baukörperanschlüsse tätig. Als Hauptverfasser des Montageleitfadens und diverser Richtlinien sowie als langjähriger Gutachter gilt er als führender Experte auf diesem Gebiet. Als Referent und Autor sowie in verschiedenen Normungsgremien gibt er seine Erfahrung an die Branche weiter.
Jürgen Benitz-Wildenburg
Dipl.-Ing. (FH), Marketingwirt (BAW)
leitet im ift Rosenheim den Bereich PR & Marketingkommunikation. Als Schreiner, Holzbauingenieur und Marketingexperte ist er seit über 30 Jahren in der Holz- und Fensterbranche in verschiedenen Funktionen tätig. Als Lehrbeauftragter, Referent und Autor gibt er seine Erfahrung weiter.