Dachsanierung
Monitoring gegen Feuchteschäden
Text: Dipl.- Ing. Hanns-Christoph Zebe | Foto (Header): © vladimir subbotin – stock.adobe.com
Die Sanierung einer ehemaligen Produktionshalle stellte Fachplaner vor komplexe Herausforderungen. Es galt, den Charakter des Gebäudes zu erhalten und gleichzeitig einen GEG-konformen, dichten Dachaufbau zu planen. Dieser Beitrag begleitet das Projekt von der Analyse der Bestandskonstruktion, über die Planung des neuen Dachaufbaus bis hin zur Überwachung und Abnahme der Sanierungsarbeiten.
Auszug aus:
GEG Baupraxis
Fachmagazin für energieeffiziente und ressourcenschonende Neu- und Bestandsbauten
Ausgabe Januar / Februar 2024
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INHALTE DES BEITRAGS
Die Dachabdichtung einer ehemaligen Produktionshalle mit angegliedertem Verwaltungsgebäude in Skelettbauweise aus den l 960er-Jahren war verschlissen und musste erneuert werden. Der Wirtschaftsbau mit deutlichem Dachüberstand wird aktuell von einem Call-Center genutzt. Das Ziel der Sanierung war einerseits der Erhalt des charakteristischen schmalen Dachrands des Gebäudes und andererseits die Förderfähigkeit des Dachs durch die BAFA im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG). Dazu wurde der Dämmstandard über die Vorgaben des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) hinaus angepasst und der Aufbau einer möglichen Photovoltaikanlage geprüft.
Analyse
Für die Sanierungsplanung war eine Analyse des bestehenden Dachaufbaus sowie seiner Konstruktion erforderlich. Hier handelte es sich um eine in Ortbeton zwischen den Bindern erstellte Tragschicht in „Sparbauweise“ in Spannbetontechnik. Darüber lag eine Deckschicht mit ca. 10 cm Bimsbeton als Wärmedämmschicht. Auf dem Bimsbeton wurde im aufgeschmolzenen Bitumen eine bituminös formatierte Korkdämmung mit ca. 2-3 cm Schichtstärke aufgebracht und von zwei Lagen bituminöser Abdichtungslage mit einer Schiefergranulateinstreuung abgedichtet. Die Dachüberstände aus Ortbeton waren mit einer Rinne ausgestattet. Die Entwässerung der flachgeneigten Sattel- und Walmdachflächen mit etwa 5° Neigung erfolgte über Einlaufbleche, die in eine vorgehängte Rinne führten. Aufgrund der Dachneigung konnte eine außergewöhnlich lange Nutzungsdauer von über 50 Jahren erreicht werden.
Der Dachaufbau mit einer alten bituminösen, mehrlagigen Abdichtung war in einem altersgemäß schlechten Zustand und wies zahlreiche Schäden und Abnutzungserscheinungen auf. Die Untersuchung der Dachfläche ergab zahlreiche Weich- und Einfallstellen, die darauf hindeuteten, dass die Dachabdichtung nicht mehr lagesicher mit den darunterliegenden Schichten verbunden war. Zusätzlich zeigte sich Blasenbildung als Anzeichen für Feuchtigkeit im Dachaufbau. Die Beurteilung der Statik der Tragkonstruktion ergab eine zusätzliche Lastreserve von nur 15 kg/m2. Damit war schnell klar, dass der ursprünglich geplante Bau einer Photovoltaikanlage nicht realisierbar war.
Vor der Sanierungsplanung wurde an zwei kritischen Stellen der Dachaufbau geöffnet und eingehend untersucht. Wie bereits durch Augenschein vermutet, ließ sich zumindest im Bereich der Dachöffnungen Feuchtigkeit in der Korkdämmung feststellen. Dachabdichtung, Dämmschicht und Tragschicht waren nicht mehr lagesicher miteinander verbunden. Der Kork zeigte Anzeichen von Langzeitdurchfeuchtung: Er war dunkel verfärbt und brüchig. Zudem konnte Feuchtigkeit durch eine Fingerprobe nachgewiesen werden. Eine Probe aus dem Dachaufbau wurde in einem Fachlabor auf polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Asbest untersucht. Das Labor konnte keine Asbesteinlage in den alten Bitumenlagen feststellen. Allerdings wurde für die polyzyklischen Kohlenwasserstoffe PAK ein Wert von 795 mg/kg in der Trockensubstanz festgestellt. Ein Komplettabriss wäre nur mit großem Aufwand zur Arbeitssicherheit möglich und mit hohen Entsorgungskosten verbunden gewesen.
Im Zuge der Überprüfung der konstruktiven Zustände des Dachs wurden zusätzlich etliche Betonbauteile mit Schäden durch Rissbildung und Rost entdeckt. An zahlreichen Stellen zeigte sich, dass sowohl der in Ortbeton erstellte Dachüberstand als auch etliche Stützen des Betonskeletts geschädigt waren. Dieser Umstand wirkte sich auch auf die Planung des Gerüsts aus. Da die Stützen des Betonskeletts überarbeitet werden mussten, wurde das ursprünglich nur für die Dacharbeiten vorgesehene Gerüst neu geplant. Eine komplette Überarbeitung und Dämmung der Fassadenbauteile war nicht vorgesehen.
Sanierungsplanung
Zur Lagesicherung der einzelnen Funktionsschichten kam nur eine mechanische Fixierung infrage. Eine Verklebung war wegen des nicht mehr lagesicheren Altdachaufbaus nicht möglich. Eine zusätzliche Auflast war aus statischen Gründen nicht realisierbar. So erfolgte die Befestigung des neuen Dachaufbaus über eine entsprechende Schraubsicherung in der Bimsbetonschicht. Hierzu wurden vorab Auszugsversuche durchgeführt, um die Tragfähigkeit der Schrauben und des Untergrunds festzustellen. Mit den daraus gewonnenen Werten konnte auch eine Windlastberechnung erfolgen, um die Lagesicherung in den jeweiligen Rand-, Eck- und Mittenbereichen der Dachflächen durch das Befestigungssystem zu ermitteln.
Um einen förderfähigen Dachaufbau zu erzielen, musste der Fachplaner den neuen Dachaufbau mit einem U-Wert von 0, 14 W/(m2K) planen. Gemäß den Fördervorgaben wurde ein Energieberater in die Planung eingebunden, der sowohl bei der BAFA akkreditiert war als auch die Antragsformalitäten online erledigte. So wurde eine 16 cm dicke Wärmedämmung aus Polyurethan mit dem Anwendungstyp PUR DM dh, DEO dh (DIN 4108-10) mit einem Nennwert der Wärmeleitfähigkeit J..0 von 0,22 (W*K) und Stufenfalz eingeplant. Um den Charakter der auskragenden, schmalen Dachränder durch den Aufbau einer neuen Wärmedämmung nicht zu stark zu verändern, kam eine Gefälledämmung entlang der Dachränder zum Einsatz.
Dazu wurde nach dem Abriss der alten Dachrinnen am Dachrand eine Traufbohle 30/150 auf der alten Dachabdichtung fixiert. Im Abstand von 45 cm dahinter erfolgte die Montage einer zweiteiligen Holzbohle mit insgesamt 16 cm Höhe als Anschlag für die nachfolgende 16 cm PU-Dämmung. Ein 30 cm breiter Dämmkeil aus EPS-Schaumstoff (3-16 cm) wurde dazwischen eingelegt, um den Höhenunterschied zwischen der gedämmten Dachfläche und der Traufe gering zu halten. Anschließend erfolgte die Verlegung eines Glasvlieses als Brandschutzlage im Bereich der mit EPS-gedämmten Dachränder. Die PUR/PIR-Dämmstoffplatten wurden zur Montage mit entsprechenden Dämmstoffschrauben und Haltetellern in der Bimsbetonschicht lagesicher eingeschraubt. Eine zusätzliche Brandschutzlage war in der Fläche nicht nötig. Als Dachabdichtung kam eine lose verlegte TPO-Dachabdichtungsbahn mit mechanischer Befestigung über Schienen zum Einsatz. Die Dachabdichtungsbahn mit einer Stärke von 2 mm ist eine mehrschichtige, durch Heißluft verschweißbare Kunststoffabdichtungsbahn auf Basis hochwertiger flexibler Polyolefine (FPO) mit innen liegender Verstärkung aus Polyestergelege sowie einer Verstärkung mit einer zusätzlichen Glasvlieseinlage.
Die Dachbahn wurde auf den als Einlaufbleche gekanteten Verbundblechen aufgeschweißt und mit einer Randfixierung im Schienenbefestigungssystem mit eingelegter Dichtung lagesicher befestigt. Zusätzliche Befestigungsschienen in den Rand-, Eck- und Mittelbereichen gewährleisten die Lagesicherheit des Schichtenpakets entsprechend der Windlastberechnung. Durch die lnstallation durchdringungsfreier Absturzsicherungen können nun Wartungs- und Reparaturarbeiten sicher ausgeführt werden.
Feuchtemonitoring/Dichtigkeitsprüfung
Schon bei der Erstellung des Leistungsverzeichnisses legten Planer und Bauherrenschaft großen Wert auf die Feststellung der tatsächlichen Dichtigkeit der Abdichtungsmaßnahmen. Daher forderte die Ausschreibung den Einbau eines Monitoringsystems und eine Dichtigkeitsprüfung per zerstörungsfreiem Trocken-Ortungsverfahren (HV-SLD) nach RAL Gütesicherung Flachdachsysteme & Services (RAL-GZ 717).
Trockenortungsverfahren bei frei bewitterten Flächen
Das Verfahren High Voltage Sensor Leak Detection (HV-SLD) wird auf frei bewitterten und nichtleitenden Dachflächen eingesetzt. Es dient sowohl zur Dichtigkeitsprüfung als auch zur Leckageortung. Dabei streicht ein Techniker die Dachfläche mit einem speziell dotierten Sensor ab. Ein Impulsgenerator am Mann ist geerdet und erzeugt eine Impuls-Hochspannungsladung. Sobald der geladene Sensor beim Darüberstreichen eine Undichtigkeit entdeckt, zeigt das Gerät eine Spannungsschwankung an und meldet gleichzeitig die Leckage mit einem akustischen und visuellen Ortungssignal.
Im Rahmen der Dichtigkeitsprüfung wurden tatsächlich einige unsauber geschlossene Schweißstellen gefunden: Dabei handelte es sich v. a. um kapillar wirkende Undichtigkeiten, die trotz sorgfältiger Arbeitsvorbereitung und Ausführung durch die Dachdecker entstanden sind. Diese potenziellen Schwachstellen dokumentierten die Techniker in einem ausführlichen Prüf- und Messprotokoll, das dem Dachdecker vor der eigentlichen Abnahme übergeben wurde und als Basis für die Überarbeitungsmaßnahmen diente. So konnten die Dachdecker vor Übergabe ihres Gewerks auch die Abnahmefähigkeit sicherstellen. Das Protokoll kann bei Bedarf durch genaue GPSDaten und fotogrammetrische Dokumentationen ergänzt werden.
Roof-Monitoring
Nach Abschluss der Arbeiten installierten Techniker ein passives Monitoring-System, um einen zerstörungsfreien Blick in den Flachdachaufbau zu gewinnen und das professionelle Roof Management zu erleichtern. Das System erlaubt die Kontrolle durch regelmäßige oder kontinuierliche Zustandsüberwachung der Feuchtewerte im Dachaufbau. Die frühzeitige Verpflichtung zu einer Dichtigkeitsprüfung im Leistungsverzeichnis ermöglichte eine kostenlose Lieferung der Sensoren.
Funktionsprinzip
Zum Einsatz kam das passive Monitoring-System mit der R.O.S.1.-Technik. Damit lassen sich der Feuchtezustand und die Austrocknung von feuchten und sanierten Stellen im Flachdach exakt dokumentieren. Die intelligente Sensortechnologie erfasst nicht nur „trocken“ und „nass“, sondern ermittelt auch relative Feuchtewerte. Die R.O.S.I. PROOF-Sensoren wurden im Rahmen der Dämmungsarbeiten nach einem vorgegebenen Einbauplan auf der gesamten Dachfläche verbaut. Dabei wurde der eigentliche Sensor auf der Unterseite der Dämmung aufgeklebt und die Antenneneinheit auf der Dämmplatte befestigt. Die Alu-Kaschierung der Dämmung im Bereich der Antennen musste entfernt werden, um das Auslesen der Sensoren per RFID nicht zu behindern. Das manuelle Auslesen der Sensoren mit einem Scanner erfolgte im Rahmen der Dichtigkeitsprüfung zum Einbauzeitpunkt und wird in Wartungszyklen wiederholt. So lassen sich die Feuchtewerte im Dachschichtenpaket jederzeit flächendeckend und zerstörungsfrei bestimmen. Das erleichtert auch die Bewertung der Feuchteverläufe und die Kontrolle der Dichtigkeit der Abdichtung. Das Verfahren kann bei Bedarf durch aktive Sensortechnik ergänzt werden. Aktive Sensoren ermöglichen eine kontinuierliche Überwachung der Feuchtezustände und können bei Wassereinbruch Alarm melden.
Aufgrund der gestiegenen Nutzungsanforderungen an die Flachdächer mit Positionierung durch Haustechnikanlagen, Dachbegrünungen, Solaranlagen und Absturzsicherungen etc. sind neue Kriterien für eine lange Nutzungsdauer einer Flachdachkonstruktion entstanden. Das kontinuierliche Roof Monitoring stellt dabei einen vielversprechenden Ansatz zur Gewährleistung der Dachsicherheit dar. Die fortlaufende Überwachung der Feuchtigkeitsniveaus ist zudem ein Kriterium für nachhaltiges Bauen und bildet den Einstieg in die Digitalisierung des professionellen Facility Managements. Die Dichtigkeitsprüfung ist die Basis für die Feststellung eines abnahmefähigen Gewerks, während das verbaute Monitoring-System Einblicke in die Feuchtigkeitszustände des neuen Dachaufbaus ermöglicht und als Grundlage für das künftige Roof Management im Facility Management dient.
Der Autor
Dipl.- Ing. Hanns-Christoph Zebe Der Fachautor und Geschäftsführer eines Ingenieurbüros in Kaiserslautern übt umfangreiche Beratungstätigkeiten für die Baustoffindustrie im Bereich Nachhaltigkeit und Ökologie aus.