Haftung für Planungsverschulden bei DIN-Normen
Architekten dürfen sich nicht blind auf DIN-Normen verlassen
Text: Ulrike Gantert | Foto (Header): © DOC RABE Media – stock.adobe.com
Das OLG Nürnberg hatte mit seinem Urteil vom 06.08.2015 – 13 U 577/12 – wieder einmal deutlich gemacht, dass die Haftung von Architekten mitunter sehr weit geht. Der BGH wies mit Beschluss vom 21.03.2018 – VII ZR 288/15 die Nichtzulassungsbeschwerde zurück, das Urteil des OLG Nürnberg ist somit rechtskräftig.
Auszug aus:
EnEV Baupraxis
Fachmagazin für energieeffiziente Neu- und Bestandsbauten
Ausgabe September / Oktober 2018
Jetzt Leser werden
INHALTE DES BEITRAGS
Sachverhalt
Entscheidung des Gerichts
Begründung
Praxishinweis
Sachverhalt
Im Jahr 2001 ließ die Klägerin ein bestehendes Parkhaus erweitern. Sie hatte die Beklagte zu 2 mit der Planung und Ausschreibung des Erweiterungsbaus beauftragt und die Beklagte zu 1 mit der Bauerrichtung. Auf Wunsch der Klägerin sollte eine zunächst von der Beklagten zu 2 vorgesehene Beschichtung der Betonoberfläche wegen der damit verbundenen Kostenersparnis nicht geplant werden.
Die Beklagte zu 2 erstellte das Leistungsverzeichnis für die Erd- und Stahlbetonarbeiten. Dieses Leistungsverzeichnis, die VOB/B sowie „sonstige technische Baubestimmungen und Normen (z. B. VDE-Richtlinien) sowie anerkannte und übliche Regeln der Technik“ wurden Grundlage und Bestandteil des Bauvertrags zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1.
Nach Fertigstellung der Bauleistungen im August 2001 platzte die Betonoberfläche des Parkdecks an vielen Stellen auf. Die Klägerin verlangte sowohl von der ausführenden Firma, der Beklagten zu 1, wie von den Architekten, der Beklagten zu 2, Schadensersatz.
Hinweis: In der bei Vertragsschluss gültigen DIN 1045 (1988) war das Erfordernis, Parkdecks mit einer geeigneten Beschichtung und daher einem zusätzlichen Oberflächenschutz zu versehen, noch nicht geregelt. Dieses Erfordernis wurde erstmals in der Ausgabe Juli 2001 – nach Vertragsschluss – geregelt.
Entscheidung des Gerichts
Das Gericht weist zunächst darauf hin, dass die Beklagte zu 2 der Auftraggeberin im Rahmen des zwischen ihnen vereinbarten Werkvertrags jedenfalls eine mangelfreie Planung und Ausschreibung des Erweiterungsbaus schuldete und kommt – um es vorwegzunehmen – zu dem Ergebnis, dass das Architektenwerk mangelhaft war und die Beklagte zu 2 den Mangel auch zu vertreten hat.
Begründung
Nach der damals gültigen gesetzlichen Regelung (§ 633 Abs. 1 BGB a. F.) war der Unternehmer verpflichtet, das Werk so herzustellen, dass es die zugesicherten Eigenschaften hat und nicht mit Fehlern behaftet ist, die den Wert oder die Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder dem nach dem Vertrage vorausgesetzten Gebrauch aufheben oder mindern.
„Die Leistung des Auftragnehmers ist daher nur vertragsgerecht, wenn sie die Beschaffenheit aufweist, die für den vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch erforderlich ist. Im Rahmen der getroffenen Vereinbarungen schuldet der Auftragnehmer ein funktionstaugliches und zweckentsprechendes Werk. An dieser Erfolgshaftung ändert sich nichts, wenn die Parteien eine bestimmte Ausführungsart vereinbart haben, mit der die geschuldete Funktionstauglichkeit des Werkes nicht erreicht werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 09.07.2014 – VII ZR 161/13; BGH, Urteil vom 11.11.1999 – VII ZR 403/98).“
Die Parteien stritten darüber, ob bereits die Planung der Beklagten zu 2, das Parkdeck ohne eine zunächst vorgesehene Beschichtung der Betonoberflächen im Leistungsverzeichnis auszuschreiben, einen werkvertraglichen, die Haftung des Planers auslösenden Mangel begründen konnte.
Hierauf kam es jedoch vorliegend nicht an, weil erhebliche Umstände für die Annahme sprachen, dass die Auftraggeberin über die mit dem von ihr gewünschten Verzicht auf die zunächst vorgesehene Beschichtung verbundenen Risiken in hinreichender Weise aufgeklärt war. „Die Klägerin konnte nicht davon ausgehen, dass sie das Parkhaus, das im Winter Frosteinwirkungen und einem dem Zweck des befahrbaren Bauwerks geschuldeten Tausalzeintrag ausgesetzt ist, ohne eine Beschichtung dauerhaft ohne eine Substanzbeeinträchtigung würde nutzen können.“ Denn eine Haftung des Unternehmers scheidet aus, wenn er seiner – auch für einen Werkvertrag nach dem BGB relevanten – Prüfungs- und Hinweispflicht in zumutbarer Weise nachgekommen ist.
In diesem Zusammenhang setzte sich das Gericht gleichwohl damit auseinander, dass das Erfordernis, Parkdecks mit einer geeigneten Beschichtung und daher einem zusätzlichen Oberflächenschutz zu versehen, erstmals nach Vertragsschluss in der Ausgabe Juli 2001 der DIN 1045 geregelt wurde. Es machte deutlich, dass sich Planer nicht blind auf DIN-Normen verlassen dürfen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die zum Zeitpunkt der Planung relevante DIN-Norm hinter den anerkannten Regeln der Technik zurückbleibt: „Allerdings ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen (…), dass bereits zu Beginn der Planungszeit eine Anzahl von Publikationen bekannt war, die auf spezielle Anforderungen der Nutzung eines Parkhauses eingingen und darauf bestimmte Forderungen zur besonderen konstruktiven Durchbildung eines Parkhauses ableiteten, insbesondere neben der Auswahl von Beton mit besonderen Eigenschaften eine Beschichtung der Oberflächen. Hieraus ergeben sich konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die zum Zeitpunkt der Planung relevante DIN 1045 (1988) hinter den für ein mangelfreies Werk beachtlichen anerkannten Regeln der Technik bereits zurückgeblieben war.“
Entscheidend für die Haftung der Beklagten zu 2 war vorliegend, dass sie es unterlassen hat, in der Ausschreibung konkret und vollständig die besonderen Anforderungen an den für die Errichtung des Parkhauses zu verwendenden Beton zu benennen (tausalz- und frostbeständig). Denn eine unvollständige oder unrichtige Leistungsbeschreibung kann eine Haftung eines Architekten begründen. Architekten müssen bei der Bestimmung und Beschreibung des zu verwendenden Materials besondere Sorgfaltsanforderungen erfüllen. Das von einem Architekten zu erstellende Leistungsverzeichnis muss die zu erbringenden Bauleistungen klar und eindeutig beschreiben, damit Unklarheiten und Missverständnisse bei der Ausführung vermieden werden.
Vorliegend war unter anderem die Planung der Beklagten zu 2 ursächlich dafür, dass das ausführende Unternehmen, die Beklagte zu 1, einen Beton verwendete, der der geschuldeten Funktionstauglichkeit des Parkhauses nicht gerecht wurde. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass als vertragliche Sollbeschaffenheit jedenfalls eine Planung und eine damit korrespondierende Ausschreibung eines tausalz- und frostbeständigen Parkhauses und damit einer diesen Anforderungen entsprechenden Betonbeschaffenheit geschuldet war und dass diese jedenfalls die Mindestanforderungen wahren musste, die die bereits zum Zeitpunkt der Planung unvollkommene DIN 1045 (1988) an die Planung und Ausschreibung des Betons stellte. Dementsprechend lauten die Leitsätze der Entscheidung:
„1. Wird der Architekt mit der Planung eines Parkhauses beauftragt, ist seine Leistung mangelhaft, wenn das Parkhaus aufgrund des von ihm zur Ausführung vorgesehenen Betons nicht tausalz- und frostbeständig ist.
2. Sind zu Beginn der Planungszeit zahlreiche Publikationen bekannt, die auf die speziellen Anforderungen des zu planenden Bauwerks und die Auswahl des Betons eingehen, können konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die zum Zeitpunkt der Planung relevante DIN-Norm hinter den anerkannten Regeln der Technik zurückbleibt.
3. Kommt es zu einem planungsbedingten Baumangel, haftet für diesen Mangel – neben dem Architekten – auch der Auftragnehmer. Der Auftraggeber muss sich jedoch das Planungsverschulden „seines“ Architekten anspruchsmindernd zurechnen lassen.“
Praxishinweis
Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH schulden Planer und ausführende Unternehmen die Einhaltung der anerkannten Regeln zum Zeitpunkt der Abnahme. Im Falle einer Änderung der anerkannten Regeln der Technik während der Planung oder während der Bauausführung muss der Architekt den Auftraggeber hierauf hinweisen. Verlangt dieser eine entsprechende Umplanung, ist diese zu vergüten. Entscheidet sich der Auftraggeber gegen die Ausführung der „Ursprungsplanung“, so dürfte bereits keine mangelhafte Planung vorliegen. Zu beachten ist jedoch, dass der Planer den Auftraggeber über die daraus resultierenden Auswirkungen und Risiken umfassend zu beraten hat, was er im eigenen Interesse gut dokumentieren sollte.
Der Autor
Ulrike Gantert,
Rechts- und Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht, Brillinger RechtsAnwälte, Karlsruhe
ist seit 1994 als Rechtsanwältin in den verschiedenen Gebieten des Immobilienrechts tätig. Sie hält Vorträge und Seminare zu bau- und architektenrechtlichen Themen und ist Mitherausgeberin und Mitautorin des bei der FORUM VERLAG HERKERT GMBH erschienenen Loseblattwerks „VOB 2016 und BGB am Bau“.