Holzhybridbau

Das Beste aus drei Welten

Text: M.Sc Caroline Wolf, Dipl.-Ing. (FH) Martin Bausch, Dipl.-Ing. Christoffer Walcher | Foto (Header): © TÜV Süd

Die Holzhybridbauweise vereint die Stärken von Holz, Beton und Stahl. Das verbessert das Klima – im Gebäude, wie auch global. Vorgefertigte Holzmodule lassen sich schnell und wirtschaftlich verarbeiten. Vorsicht ist jedoch bei den Anschlüssen der verschiedenen Baumaterialien geboten.

Auszug aus:

GEG Baupraxis
Fachmagazin für energieeffiziente und ressourcenschonende Neu- und Bestandsbauten
Ausgabe Januar / Februar 2023
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Noch stammt der Löwenanteil der gebäudebedingten Treibhausgase (THG) aus dem Gebäudebetrieb – bis zu 80 %. Allerdings sinkt dieser Anteil durch den Bau energieeffizienterer Gebäude stetig. Bessere Dämmungen wie auch eine effizientere Gebäudetechnik sind dabei entscheidend. Umso mehr rückt der THG-Ausstoß durch die Herstellung der Baustoffe in den Fokus. Holz bspw. ermöglicht ein umweltfreundlicheres Bauen. Jedes fünfte Wohngebäude in Deutschland besteht heute bereits überwiegend aus diesem Rohstoff. Vorausgesetzt, es stammt aus nachhaltiger Produktion, ist Bauen mit Holz sogar in doppelter Hinsicht ökologisch sinnvoll: Wälder nehmen CO₂ auf, speichern es und wandeln es per Photosynthese in Kohlenstoffverbindungen um. Holz als Baustoff entzieht diese Menge Kohlenstoff, also das CO₂-Äquivalent, dauerhaft der Atmosphäre. Zudem ist Holz gut recyclebar. Werden weniger Rundhölzer zur Energiegewinnung verbrannt und wird mehr Holz aus abgerissenen Holzhäusern wiederverwertet, lassen sich Schätzungen zufolge jährlich bis zu 50 Mio. Tonnen CO₂ sparen. Hinzu kommt, dass die Verwendung von Holz gleichzeitig Treibhausgasemissionen aus der Stahl- und Zementherstellung dauerhaft halbieren könnte. Allein 2018 entfielen immerhin acht Prozent der globalen CO₂-Emissionen auf die Zementherstellung. Neben den ökologischen bietet Holz viele weitere Vorteile: u. a. ist es vielseitig einsetzbar, leicht zu verarbeiten und schafft ein angenehmes und gesundes Raumklima, indem es die Luftfeuchte reguliert. Das erhöht auch die Wohnqualität. Eine modulare Bauweise bringt, gerade beim seriellen Bauen, weitere Pluspunkte:
• Ein einheitliches Bausystem vereinfacht den Planungsprozess.
• Das definierte Tragwerksverhalten der Module erleichtert die Anwendung von Building Information Modeling (BIM).
• Ein hoher Vorfertigungsgrad ermöglicht die Produktion und Anlieferung der Bauteile „just in time“. Das beschleunigt den Baustellenprozess.
• Verbundsysteme und -bauteile lassen sich wetterunabhängig vorfertigen.

In Sachen Tragfähigkeit sind indes Stahl oder Beton, je nach Belastungsart, alternativlos. Für Untergeschosse und Tiefgaragen eignet sich Beton eher, weil er unempfindlich gegen Nässe ist. Zudem ist Beton langlebig, flexibel einsetzbar, dämmt Schall, speichert Wärme und brennt nicht. Die Lösung liegt auf der Hand: das Beste aus diesen drei Welten verbinden, mit einer hybriden Bauweise.

 

Weiche Schale, harter Kern

Die modernste Form der Holzhybridbauweise ist die Anordnung von Hybridbauteilen im Gebäude. Dabei wird die Herstellung eines Bauteils durch die Mischung unterschiedlicher Materialien erzeugt – entweder im losen, oder im statisch wirksamen Verbund. So können etwa Holz-Beton-Verbunddecken erstellt werden. Überdies eignet sich die Holzhybridbauweise hervorragend für serielles Bauen, da ein hoher Vorfertigungsgrad möglich ist. Die Vorfertigung gewährleistet zugleich eine witterungsunabhängige Produktion im Werk. Gerade dort, wo ohnehin modular gebaut wird, können Holzelemente einen wesentlichen Anteil am Gebäude haben. Selbst bei höheren Gebäuden mit Decken und einem Erschließungskern aus Beton können tragende Elemente der Gebäudehülle aus Holz sein. Grundsätzlich bietet es sich an, mit einem Untergeschoss aus Beton ein stabiles Fundament zu schaffen. Treppenhäuser und Aufzugschächte, die häufig entscheidenden Anteil an der Steifigkeit der Gebäudestruktur haben, werden ebenso in Betonbauweise ausgeführt. Zwischenwände hingegen können aus vorgefertigten, mit Gipsplatten beplankten Holzrahmenwänden bestehen. Selbst Zwischendecken, die die Geschosse unterteilen, lassen sich aus Holz-Beton- Kombinationen oder auch allein aus Holz, genauer Brettschichtholz, fertigen. Für Außenfassaden bietet sich die Holztafelbauweise an. Diese Methoden gewährleisten grundsätzlich ausreichende Standsicherheit.

Eine weitere Variante der Holzhybridbauweise ist die sektionale Mischung. Dabei werden Gebäude vertikal, horizontal oder eben sektional gegliedert. Das heißt, dass z. B. ein Haus aus Stein oder Beton horizontal um einen Anbau aus Holz erweitert wird. Ein klassisches Beispiel für eine solche Verbundbauweise ist das historische Fachwerk. Unterschiedlichste Formen des Holzhybridbaus wurden zuletzt etwa im Prinz-Eugen-Park in München realisiert: Die Siedlung ist ein ökologisches Musterprojekt und mit rund 1.800 Wohneinheiten Deutschlands größte zusammenhängende Holzbausiedlung. In dem dort verbauten Holz sind insgesamt über 12.500 Tonnen CO₂ eingelagert.

Sehr gut eignet sich Holz auch, um bestehende, in Massivbauweise errichtete Gebäude, nachträglich aufzustocken. Das relativ geringe Gewicht wirkt sich dabei ebenso positiv aus wie die Möglichkeit, mit vorgefertigten Elementen zu arbeiten. So eröffnen sich praktikable und wirtschaftlich interessante Möglichkeiten der Nachverdichtung in vermeintlich vollständig erschlossenen Wohngebieten. Unabhängig von der jeweiligen Form der Holzhybridbauweise profitiert das Gebäude von einem höheren Wohnkomfort, da Holz für gesundes Raumklima und optimale Luftfeuchtigkeit sorgt.

 

Stark gegen die Elemente

Holz verhält sich gegenüber äußeren Einflüssen, wie Niederschlag, Feuer, Pflanzen oder Beanspruchung durch Tiere, anders als mineralische Baustoffe. Es bedarf daher auch einer anderen Behandlung. Bereits bei der Herstellung, dann in der Bauphase und selbstverständlich im Gebäudebetrieb muss der Baustoff vor der Witterung, aber auch vor Verschmutzungen oder sonstigen mechanischen Beschädigungen geschützt werden.

Damit die gute Ökobilanz des Gebäudes erhalten bleibt, sollten hierfür bereits im Vorhinein Konzepte erstellt werden. So sollten grundsätzlich konstruktive Maßnahmen vorgezogen werden, anstelle von bspw. chemischen Holzschutzmitteln. Zudem sollte die Dauerhaftigkeitsklasse, also die Widerstandsfähigkeit des Holzes gegen Insekten oder Pilze, der Einbausituation angepasst werden. Ein wichtiger Punkt ist dabei der Feuchteschutz. Dabei ist zum einen die Belastung durch Schlagregen und Spritzwasser im Außenbereich zu berücksichtigen, zum anderen ist die Bildung von Tauwasser im Bauteil zu vermeiden. Die Luftdichtheit eines Gebäudes spielt hierbei ebenfalls eine Rolle, trägt jedoch auch zum Wärme- und Schallschutz bei.

Der Aspekt der Feuchteaufnahme kann schon beim baulichen Holzschutz berücksichtigt werden. Dabei ist auch von Bedeutung, dass bereits trockenes Holz mit einer Feuchte von max. 20 % verbaut wird. Zudem sind der Spritzwasserschutz sowie der Schutz vor Niederschlägen von Bedeutung. Entsprechende Wandaufbauten gewährleisten eine ausreichende Schallisolierung der Außenwände. Insofern beschränkt der Schallschutz nicht die Umsetzung einer hybriden Bauweise bei herkömmlichen Bauvorhaben. In Sachen Wärmeschutz ergibt sich sogar ein wesentliches Potenzial: Der Holzhybridbau ermöglicht eine hochwertige und praktisch wärmebrückenfreie Wärmeisolierung nach außen.

Besondere Aufmerksamkeit verdient die Brandgefahr: Grundsätzlich ist es kein Problem, die heutigen Anforderungen an den Brandschutz beim Bauen mit Holz zu erfüllen. Die hybride Bauweise ermöglicht, Holzkonstruktionen durch massive mineralische Brandwände in Brandabschnitte zu unterteilen. Herausforderungen ergeben sich v. a. ab der Gebäudeklasse 4 nach Musterbauordnung, also bei Gebäuden über sieben Meter Höhe sowie bei Sonderbauten. Teils haben die Bundesländer hier abweichende Bestimmungen. Viele Bauteilanschlüsse sind bislang nicht geregelt oder nicht im Verwendbarkeitsnachweis der Bauart oder des Bauprodukts abschließend aufgeführt. In solchen Fällen sollten Architekten, Planer, Bauunternehmen und Generalübernehmer sichergehen und auf eine unabhängige Expertise zurückgreifen. In jedem Fall ist darauf zu achten, dass die Anschlüsse der Bauteile rauchdicht verfugt werden.

 

Hauptsache gut verbunden

Die modulare Bauweise reduziert die Arbeit auf der Baustelle und verlagert sie ins Werk. Neben der Vorfertigung spielt auch die Digitalisierung eine größere Rolle. Denn während beim Massivbau Ungenauigkeiten weniger ins Gewicht fallen, beziehungsweise direkt während des Baus korrigiert werden können, lässt die computergestützte, millimetergenaue Vorfertigung im Werk kaum Toleranzen
zu. Zudem hat Holz ein anderes Verformungsverhalten und leitet Kräfte anders ab als Stein oder Beton.

In der Praxis sind die Herausforderungen individuell verschieden – ebenso wie bei Massivbauten. Ein kritischer Punkt sind die Bauteilanschlüsse, wie die Erfahrung von TÜV Süd aus baubegleitenden Begehungen zeigt. Hier treffen unterschiedliche Gewerke aufeinander. Das kann auf der Baustelle z. B. dazu führen, dass die Führung und Anschlüsse der Luftdichtheitsebene ungeklärt sind – gerade bei Vor- und Rücksprüngen und den Anschlüssen des Dachs an die Seitenwände. In einem solchen, von TÜV Süd dokumentierten Fall, war das Untergeschoss aus wasserundurchlässigem Beton (WU-Konstruktion) errichtet, das Erdgeschoss aus Holz. Beide Geschosse wurden von verschiedenen Unternehmen ausgeführt. Für die Schnittstelle fühlte sich derweil niemand verantwortlich. Die Folge: Die Fuge zwischen den Stockwerken wurde nicht abgedichtet und es bestand kein Feuchteschutz. Bei hybriden Bauweisen ist also grundsätzlich, schon bei der Planung, eine gemeinsame Sprache wichtig. Bereits die Hersteller der verschiedenen Bauteile müssen sich gut abstimmen. Zuständige Behörden sollten früh eingebunden werden und die einzelnen Folgegewerke müssen sensibel sein für die Anforderungen der hybriden Bauweise.

 

Wirtschaftliche und ökologische Potenziale nutzen

Noch sind die Kosten für ein Gebäude in Holzhybridbauweise ca. 5 % höher als bei einem massiv errichteten Bauwerk. Allerdings kommt es hier auf den Einzelfall an. Vergleicht man etwa eine massive Wand aus Kalksandstein mit Wärmedämmverbundsystem mit einer Holzständerwand mit Putz und Mineralwolldämmung, schneidet die Holzvariante rund 20 % günstiger ab. Zudem ist sie tendenziell dünner, d. h. im Inneren bleibt mehr vermietbare Fläche. Die künftige Optimierung der industriellen Vorfertigung von Wandelementen könnte die Kosten weiter senken. Fazit: Stimmt die Vorbereitung, sind die Herausforderungen des Holzhybridbaus nicht größer als bei anderen Bauprojekten. Eine sorgfältige Planung sichert einen reibungslosen Baufortschritt und eine termingerechte Fertigstellung. Mit der gezielten Materialauswahl sowie einer nachhaltigen Konstruktion, die die Langlebigkeit und Recyclingfähigkeit berücksichtigt, gelingt dann auch umweltfreundliches Bauen.

Die Autoren und Autorinnen

M.Sc Caroline Wolf ist Sachverständige Bautechnik in der Abteilung Bautechnik der TÜV Süd Industrie Service GmbH.
Kontakt unter: caroline.wolf@tuvsud.com

Dipl.-Ing. (FH) Martin Bausch ist Sachverständiger Bautechnik in der Abteilung Bautechnik der TÜV Süd Industrie Service GmbH.
Kontakt unter: martin.bausch@tuvsud.com

Dipl.-Ing. Christoffer Walcher ist Sachverständiger Brandschutz im Kompetenzzentrum Brandschutz der TÜV Süd Industrie Service GmbH.
Kontakt unter: christoffer.walcher@tuvsud.com
www.tuvsud.com/baucontrolling

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